Parteien: Schweigen zur Muslimbruderschaft

Vor dem Hintergrund, dass Organisationen, die der Muslimbruderschaft zuzuordnen sind, aber trotz Beobachtung in nicht wenigen Fällen durchaus als Gesprächspartner in der Politik auffallen, kann man sich fragen, wie das angeht. Vereine, die unter Beobachtung stehen, werden besucht zu Festlichkeiten, sie werden auf verschiedenen Ebenen eingebunden oder erhalten sogar öffentliche Gelder über Dachverbände. Mit dieser Vorgehensweise befördert man das Anliegen der Muslimbruderschaft, einen Keil zwischen Politik und Sicherheitsbehörden zu treiben. Wenn hier der Bürgermeister X den Verein wahrheitswidrig als einen guten darstellt, und da der Abgeordnete Y hingeht und fröhlich mitfeiert – es werden wohlwollende und unkritische Grußworte gesprochen – folgt man der persönlichen Bequemlichkeit, sich lieber nicht mit schwierigen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Zwischen manchen politischen Akteur und bekannten Strukturen der Muslimbruderschaft passt gesellschaftlich kein Blatt Papier und die Organisation wird gegenüber kritischen Nachfragen schon in Schutz genommen. Es soll Ruhe herrschen allüberall. Ein Scheinfriede.

Vorgaben des Gründers el Banna; eigene Bearbeitung

Diese Bequemlichkeit hat nämlich einen hohen Preis, den aber andere zu zahlen haben: Das Gemeinwesen als Ganzes oder die öffentliche Hand. Man macht sich – ohne Not – instrumentalisierbar und genau das geschieht auch. Nicht wenige Politiker stellen sich so an die Seite der Muslimbruderschaft. Der Trick gegenüber den Medien besteht nun darin, offiziell gar nicht wahrzunehmen, dass man zur Muslimbruderschaft geht bzw. dass die Organisation wesentlich Inhalte der Muslimbruderschaft vertritt. Man macht also das Eigenmarketing der Muslimbruderschaft mit.

Konkret befragt, ergibt sich ein erschütterndes Bild: Man will sich in der Regel zur Muslimbruderschaft nicht (mehr) positionieren und damit festlegen. Wohlgemerkt bei einer Gruppierung, deren Organisationen und Vereine bei Zuordnung unter Beobachtung stehen. Eine Anfrage bei den Parteien und deren Beantwortung lässt wenig Zweifel daran, dass man sich einige Optionen offen halten möchte. Alternativ legt man Wert darauf, dass die durch widersprüchliche Handlungen aufscheinende Inkonsistenz und Inkonsequenz öffentlich nicht wahrgenommen werden. Dass es allerdings bei zunehmender Kooperation und zunehmender Übernahme des Eigenmarketings der Organisationen mit jedem, der dies mitträgt, schwieriger wird, eine realitätsnahe Einstufung durchzuhalten, scheint nachrangig. In dem Ansatz, mit irgendwelchen Muslimen sprechen zu müssen (warum eigentlich?), nahm man (auch) die als Gesprächspartner, die sich andienten, ohne sich inhaltlich zu verändern. Anpassungen nach außen hin erscheinen bei Muslimbruderorganisationen als Marketinghilfen. Man versucht, die Wahrnehmung über sich zu verändern, nicht sich selbst. Hilfreich sind dabei einige Anhänger und Befürworter in den Medien, die das flankieren. Andere werden das Eigenmarketing im Sinne eines konstruktiven Journalismus kaum noch hinterfragen*.

Angefragt wurde bei allen im Bundestag vertretenen Parteien, also CDU, CSU, SPD, Grüne, Linke. Ergänzend wurden die Fragen auch der FDP vorgelegt. Die Fragen gingen jeweils mit Hinweis auf Veröffentlichung an die Pressestellen der Parteien.

Die Fragen zur Muslimbruderschaft lauteten:

1. Wie ist die Sicht der Partei zur Muslimbruderschaft?

2. Wie bewertet die XYZ eine öffentliche Förderung von Strukturen, die der Muslimbruderschaft zuzuordnen sind?

3. Wie bewertet die XYZ den Umstand, dass die Muslimbruderschaft unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht?

4. Sieht die XYZ eine Unvereinbarkeit hinsichtlich der Ziele der Muslimbruderschaft und der XYZ? Wie wird eine „Doppelmitgliedschaft“ bewertet?

5. Sind Mandatsträger der XYZ angehalten, Muslimbruderstrukturen nicht zu unterstützen (auch nicht durch persönliche Verantwortung hinsichtlich der Vergabe von Fördermitteln)?

Gefragt wurde also noch nicht einmal zu konkreten Vereinen, was hätte überfordern können, sondern zur generellen Haltung zur Gruppierung. Etwas, das im Grunde recht einfach zu beantworten ist, sofern man sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt und die Auskünfte der Sicherheitsbehörden als verbindlich einstuft. .

An die SPD wurden diese Fragen schon im letzten Jahr gerichtet mit mehreren Erinnerungen und Bitten um Bearbeitung. Diese wurde immer wieder durch die „Referentin für Religionsfragen“ zugesagt – jedoch ohne Ergebnis. An die anderen Parteien wurden die Anfragen Ende Mai versandt mit üblicher Fristsetzung.

Bis auf die CSU und die Grünen ließen die Parteien die Frist ohne Antwort verstreichen.

Die Grünen ließen sich dergestalt ein:

Leider haben wir im anlaufenden Wahljahr und zwei Wochen vor unserem Parteitag nicht die Kapazitäten um Ihre Anfrage zu bearbeiten. Wir bitten, das zu entschuldigen.

Die CSU hingegen sah sich nicht durch Wahlkampf etc. verhindert. Nach der Herleitung, die Muslimbruderschaft halte nach Sicht des Verfassungsschutzes an ihren verfassungsfeindlichen Zielen fest, bezog man da klar Stellung

Die CSU lehnt selbstverständlich jede Förderung und Zusammenarbeit von und mit Organisationen, die verfassungsfeindliche Bestrebungen haben, ab.

So einfach kann das zu beantworten sein, wenn es einer Gruppierung noch nicht breiter gelungen ist, einen Keil zwischen Politik und Sicherheitsbehörden zu treiben. Im Einzelfall müsste man allerdings sehen, ob das durchgehalten wird. So mancher in der Politik sieht sich ja nicht in der Lage, gegenüber potentiellen Verfassungsfeinden SELBER eine Auswahl zu treffen. Wieso muss man zu Organisationen gehen, die ein gruseliges und erzreaktionäres Menschen- und Frauenbild haben, das allen Gedanken im GG zuwiderläuft? Wie kann man das als Grüner mit seinen sonstigen Haltungen vereinbaren, wie als Genosse?

Bei solchen Zusammenkünften wie Fastenbrechen wird eben genau nicht über diese Inhalte gesprochen, ebensowenig wie an den meisten Dialogtischen. All die Personen, die erbittert über Genderfragen streiten können, werden dort ganz schmallippig; lieber redet man über das Schöne und Gute (wahr muss es dann nicht mehr zwingend sein, wenn schöne Bilder, der Schein, genügen). Ein Teil mag nicht wissen, was er tut. Andere werden es wissen, tun aber so, als wüßten sie es nicht. Man macht also den Mummenschanz mit. Würde man ihn nicht mitmachen, könnte man nicht sprechen. Strategen wie die der Muslimbruderschaft haben diese – selbstgeschaffene! – Schwäche natürlich erkannt: Da will jemand um jeden Preis so tun, als stünde er im Gespräch mit DEN Muslimen (die es so nicht gibt). Man kann also einiges vorgeben, das man ohne diese Schwäche nicht vorgeben könnte. Die Politik bringt sich also selber in Zugzwang.

Dabei ist der parteistrategische Vorteil weitgehend nur imaginiert, etwas, dass Organisationen der Muslimbruderschaft gerne als Suggestion in den Raum stellen. Jedoch kennen z.B. den Zentralrat der Muslime (ZMD) überhaupt nur 25 % der Muslime (BMI-Erhebung). Im ZMD als Dachverband ist auch die IGD als größte Organisation, in der Muslimbrüder aktiv sind, prominent und maßgeblich vertreten. Andere wählen schon so, dass sie nicht über ihren Moschee-Verein beeinflusst  werden können, wenn denn der Imam überhaupt zur Wahl rät. Viele Personen an Einrichtungen, die der IGD beispielsweise zuzuordnen sind, werden Wahlen generell wenig abgewinnen (das ist z.B. bei OF in den Wahlergebnissen und der Wahlbeteiligung v.a. ablesbar, einstellige (!) Wahlbeteiligungen in grob zuordnungsfähigen Wahlbezirken; Details bei Interesse), wenn sie überhaupt wahlberechtigt sind.

Es bleibt nach der Befragung der schale Eindruck zurück, dass man mit dem Thema sich nicht wirklich befassen möchte, obwohl man aktiv ist. Lieber perpetuiert man alte Fehler (wie bei der DITIB), anstatt sich klar aufzustellen. Das allerdings ist weder zielführend noch zukunftsweisend. Das ist auch nicht das, was der Bürger erwartet, schon gar nicht der Bürger in Uniform bei den Sicherheitsbehörden. Auch auf komplexem Bereich tut man gut daran, den Überblick zu behalten, zu gewinnen und auch die roten Linien ausreichend zu beachten. Nur so wird das was langfristig, nur so gewinnt man einiges an Vertrauen in diesem Bereich zurück, nur so wird man seiner Verantwortung als politischer Entscheider gerecht.

 

 

 

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* Ein bizarres Beispiel: In diesem Artikel bleibt die Zuordnung der Moschee zur IGD, also einer Organisation, in der Muslimbrüder maßgeblich vertreten sind, aus. Diese Zuordnung ist sogar offen verfügbar – die Journalistin verliert kein Wort darüber:

https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/saarbruecken/burbach/fast-wie-zu-hause_aid-790516

Auch kein Wort darüber, dass nur zwei Monate vorher diese Einrichtung Gegenstand einer öffentlichen Debatte war, weil die Predigt eines jordanischen Hasspredigers sogar bei MEMRI gelandet war:

http://www.sol.de/archiv/news/Aufregung-um-angebliche-Hassrede-in-Saarbruecker-Moschee-Gast-Prediger-vermittelte-offenbar-Inhalte-der-salafistischen-Ideologie,14003

Nur nett kochen mit freundlichen Männern im Bericht.
Wenn Leser so unzureichend informiert werden, bleiben natürlich die notwendigen Fragen aus.
Manche in der Politik, manche in den Medien und einige bei den Kirchen helfen aktiv mit beim Nichtwahrnehmen von Problemlagen – mit jeweils eigenen Interessen.

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