Mönchengladbach: Grünen-Stadtrat führt in die Irre

Ein vier Monate alter Artikel über die Bezüge eines Grünen-Stadtrats sowie seines Vereins zur Hizbollah-nahen Amal-Bewegung sorgte letzte Woche in Mönchengladbach für hitzige Debatten. Gegen manche Darstellung, die dabei kursierte, sprechen jedoch schlicht die Fakten.

Als im November 2020 auf dieser Seite erstmals über die Bezüge des Mönchengladbacher Grünen-Ratsherrn Nasser Zeaiter, der kurz zuvor auch zum Vorsitzenden des dortigen Integrationsrates gewählt wurde, sowie über die des von ihm mitgegründeten al-Ghadir-Vereins zur Terror-Organisation Hizbollah berichtet wurde, rief dies vor Ort keinerlei Reaktionen hervor. Lediglich im Düsseldorfer Landtag forderten der CDU-Abgeordnete Gregor Golland sowie die AfD-Fraktion Aufklärung. Die Forderung des CDU-Abgeordneten, die Stadt Mönchengladbach über die Hintergründe aufzuklären, wurde wenige Wochen später durch ein Gespräch von Landesverfassungsschutz-Chef Burkhard Freier mit dem Mönchengladbacher Oberbürgermeister Felix Heinrichs (SPD) erfüllt. Die AfD-Landtagsfraktion hingegen richtete einen schriftlichen Berichtswunsch an die Landesregierung. Danach wurde es wieder ruhig um das Thema. Die fachpolitischen Sprecher von SPD, FDP und Grünen im Landtag, die von der Autorin ebenfalls über die Hintergründe in Kenntnis gesetzt wurden, zeigten an dem Sachverhalt kein Interesse.

Erst als der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) auf den Berichtswunsch hin offenbaren musste, dass der al-Ghadir-Verein dem Verfassungsschutz wegen Bezügen zur libanesischen Amal-Bewegung bekannt sei, die wiederum zum Hizbollah-Spektrum gehöre, regte sich in Mönchengladbach erste Medienberichterstattung. Da die Presse jedoch zumeist nur Nasser Zeaiter selbst zu Wort kommen ließ, nutzte der dies dazu, seine Treffen mit dem Hizbollah-Geistlichen Muhammad Hussein Fadlallah, der von den USA bis zu seinem Tod als „Special Designated Global Terrorist“ eingestuft wurde, unwidersprochen als rein religiös und familiär motiviert darzustellen. Die meisten Politiker in Mönchengladbach gaben sich mit dieser Erklärung sofort zufrieden. Lediglich die Junge Union kaufte Zeaiter dies nicht ab und thematisierte weiter dessen Hizbollah-Bezüge.

Die Debatten eskalieren

In der letzten Woche aber eskalierten die Debatten in Mönchengladbach: Am Dienstag gab Nasser Zeaiter gegenüber dem Mönchengladbacher Integrationsrat eine lange Erklärung ab. Darin verharmloste er seine Treffen mit Hizbollah-Geistlichen erneut mit familiären und religiösen Motiven und bezeichnete die Darstellung der Autorin als „haltlos“. Die Einordnung des al-Ghadir-Vereins durch Landesregierung und Verfassungsschutz gab er falsch wieder. Dass sich der Verfassungsschutz zu ihm selbst auch deshalb nicht geäußert hatte, weil Behörden aufgrund von Persönlichkeitsschutzrechten engere Grenzen gesetzt sind als Journalisten und anderen Publizisten, verschwieg er. Stattdessen stellte er die Situation so dar, als verfüge der Verfassungsschutz über keine ihn oder den al-Ghadir-Verein betreffenden Erkenntnisse. Nach dem Ende der Integrationsrats-Sitzung kündigte er an, die Grünen-Fraktion im Stadtrat zu verlassen, sein Ratsmandat aber behalten zu wollen. Seinen Verbleib im Amt des Integrationsrats-Vorsitzenden wolle er von der Vertrauensfrage abhängig machen.

Das rief mehrere politische Reaktionen hervor: Die Junge Union preschte erneut nach vorne und erinnerte dabei auch daran, dass Zeina Wehbe, Zeaiters langjährige Stellvertreterin im al-Ghadir-Verein, zwischenzeitlich auch zur 2. Stellvertretenden Vorsitzenden des Integrationsrates gewählt wurde. Die Grünen-Fraktion hingegen forderte Zeaiter lediglich zur Rückgabe seines Ratsmandates auf und hatte dabei sogar noch die Chuzpe, ihn für seine „Bemühungen zur Aufklärung“ zu loben.

Gleichzeitig schlug sich ein lokales Internet-Portal immer fanatischer auf die Seite von Nasser Zeaiter, stellte seine Ausflüchte als Tatsachen dar und bestritt dreist die Existenz der vorliegenden Belege (hier und hier). Als diese (Falsch-) Berichterstattung jedoch nicht mehr verfing, weil im weiteren Verlauf der Woche immer mehr lokale Politiker bei der Autorin um Einsicht in das Material nachfragten und diese natürlich auch bekamen, verlegte sich das Internet-Portal auf das Werfen von Schmutz.

Das dürfte Nasser Zeaiter jedoch auch nicht mehr helfen. Denn selbst wenn die Dinge, die dieses Portal jetzt mit Hilfe von Links, von denen mehrere zu in Teilen justiziablen Inhalten führen, zu suggerieren versucht, tatsächlich so zutreffen würden, so würde auch das nichts an den Facebook-Beiträgen von Nasser Zeaiter ändern oder dessen Bezüge zur Hizbollah weniger verwerflich machen. All das sind gute Gründe, die Bezüge und Verwerfungen dieser Causa noch einmal von Anfang an genau zu beleuchten.

Der Verein

Der al-Ghadir-Kulturverein in Mönchengladbach wurde 1999 eingetragen und 2005 in das elektronische Weiterlesen

Neuköllner Begegnungsstätte bekommt Rückendeckung

Nach einer Durchsuchung in der Neuköllner Begegnungsstätte, die dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft zugerechnet wird, melden sich ZMD und DMG zu Wort. Dabei wird die Maßnahme empört kritisiert. In den Reaktionen wird auch das Netzwerk hinter der NBS sichtbar.

Symbolbild

Wegen des Verdachts auf Betrug mit Corona-Soforthilfen wurde am Donnerstagmorgen die Dar-as-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln durchsucht. Wie der Berliner Tagesspiegel unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, sei neben den Räumlichkeiten der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), zu der die Moschee gehört, auch die Wohn- und Aufenthaltsadresse des Vorstandsvorsitzenden durchsucht worden.

Die NBS ist ein Berliner Moschee-Verein, der seit Jahren mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Obwohl über den Verein immer wieder auch kritisch berichtet wurde und er auch in den Qatar Papers als Geldempfänger der Qatar Charity erwähnt wurde, ist er in Berlin weiterhin Gesprächspartner der Politik. In der Moschee waren schon Hassprediger und andere problematische Akteure aus dem Netzwerk der Muslimbruderschaft zu Gast. Die Qatar Charity ist als Finanzier von Organisationen aus dem Geflecht der Muslimbruderschaft bekannt. Zur Mehrheitsgesellschaft hin wurde ein Image der Freundlichkeit und Friedlichkeit aufgebaut. Diese Imagepflege wurde von der Politik begeistert aufgenommen, so dass der Imam der Moschee, Taha Sabri, sogar mit dem Berliner Verdienstorden bedacht wurde. Auch einige Medien zeichneten ein sehr weiches und oberflächliches Bild von Imam und Einrichtung, das ohne jedwede kritische Nachfrage auskam.

Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft

In den Berliner Verfassungsschutzberichten wurde die NBS jahrelang als eine von vier Einrichtungen im Abschnitt über die Muslimbruderschaft eingeordnet. Neben der NBS waren dies das Interkulturelle Zentrum für Dialog und Bildung (IZDB), das Islamische Kultur- und Erziehungszentrum Berlin (IKEZ) und das Teiba Kulturzentrum zur Förderung der Bildung und Verständigung (TKZ). Aus diesem Geflecht sind zwei Imame im neuen Fatwa-Ausschuss vertreten, Ferid Heider und Abdelaziz el-Khodhary. Der Fatwa-Ausschuss wiederum hatte seine konstituierende öffentliche Sitzung zu Gebetszeiten in der NBS. Der Fatwa-Ausschuss gilt als wichtiges Gremium, das ebenfalls der Muslimbruderschaft zugeordnet wird.

Die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG, vormals Islamische Gemeinschaft in Deutschland, IGD) wird allgemein als die größte Organisation in Deutschland gesehen, in der sich Muslimbrüder organisieren. Beide Strukturen, also die DMG und der Fatwa-Ausschuss, sind personell mit länderübergreifenden Organisationen aus dem Spektrum verknüpft. Der Vorsitzende der NBS, der auch als Imam fungiert, wies Bezüge zur Muslimbruderschaft stets zurück, obwohl sogar belegt ist, dass der Verein dem muslimbrudernahen Vermieter eine ortsunübliche Miete zahlt und der Imam persönlich von den Muslimbruder-Funktionären Ibrahim El-Zayat und Samir Falah geehrt wurde.

Die NBS zeigt sich also als Verein, der unter Marketing-Gesichtspunkten alle Register zieht – von der gefälligen und schönfärbenden Eigendarstellung bis hin zu juristischem Säbelrasseln, wenn eine Fremdmeinung Betätigungen und gewünschtes Image hinterfragt und kritisch sieht. Auch auf dieser Seite wurde die NBS schon mit mehreren Beiträgen ausführlich besprochen. In der Stellungnahme der NBS

zeigt sich Sabri „schockiert“ und der Anwalt Johannes Eisenberg vermutet die Inszenierung eines Sonderrechts aus einer „islamophobischen Motivlage“.

Berliner ZMD Teil dieser Strukturen?

Dass sich nach der Durchsuchung nun auch Dritte empört zu Wort melden, verwundert nicht. Besonders fallen dabei die DMG und der Berliner Landesverband des Zentralrats der Muslime (ZMD) auf. Weiterlesen

CDU hält an Sevket Avci fest

Trotz des Medienwirbels über seine Nähe zu den rechtsextremistischen Grauen Wölfen hat die Duisburger CDU mit der Konstituierung ihrer Ratsfraktion verdeutlicht, an Sevket Avci festzuhalten. Wenn es eines finalen Beweises bedurft hätte, dass die CDU Graue Wölfe toleriert und es die angeblichen Parteiausschlussverfahren gar nicht gibt, so dürfte er damit erbracht sein. Da Forderungen nach entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschlüssen 2014 und 2016 zurückgewiesen wurden, dürfen Graue Wölfe bis heute in der CDU politisch aktiv sein.

Graue Wölfe 2016 bei einem Aufmarsch in Düsseldorf (Bild: Privat)

Einer am Freitag veröffentlichten Mitteilung der Duisburger CDU-Ratsfraktion kann entnommen werden, dass die Partei auch weiterhin an Sevket Avci festhält und er diese zukünftig auch im Stadtrat vertreten soll. Wenige Tage vor der Kommunalwahl hatten „Report Mainz“ und „Der Westen“ über Avcis Nähe zu den türkisch-rechtsextremistischen Grauen Wölfe berichtet. In seinem Wahlreis belegte der 56-Jährige daraufhin nur den dritten Platz. Über die CDU-Liste konnte Avci dennoch in den neugewählten Duisburger Stadtrat einziehen.

Die Nähe von Sevket Avci zu den Grauen Wölfen war bereits 2014 öffentlich bekannt und auch durch entsprechende Fotos belegt. Die Bilder, die Avci auf Versammlungen der Grauen Wölfe zeigen, kursierten schon damals in CDU-Kreisen. Auf Nachfrage der WAZ aber gab sich Duisburger CDU ahnungslos und beteuerte, ihr seien keine entsprechenden Äußerungen von Sevket Avci bekannt, man wolle sich aber in den nächsten Sitzungen mit dieser Thematik auseinandersetzen. Zu den belastenden Bildern sagte die Duisburger CDU jedoch nichts. Als sich der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet auf Nachfrage von „Report Mainz“ dazu äußern musste, behauptete er, Graue Wölfe würden aus der CDU ausgeschlossen. „Da gibt es klare Regeln“, sagte er.

Forderungen nach Unvereinbarkeitsbeschlüssen zurückgewiesen

Dabei ließ Armin Laschet jedoch unerwähnt, dass Forderungen nach einem entsprechenden Weiterlesen

Vorzeige-Projekt im Zwielicht

„JuMu – Vielfalt zum Anfassen“ wird von der NRW-Landesregierung noch immer als Vorzeige-Projekt präsentiert und gefördert. Bei genauer Betrachtung des Projekts fallen jedoch Bezüge zu langjährig bekannten Akteuren aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft auf. Dass das vom ZMD initiierte Projekt erfolgreich sein soll, macht das Integrationsministerium unter anderem daran fest, dass es vom Bundespräsidenten mit einem Preis ausgezeichnet wurde.

Symbolbild

Das vom Zentralrat der Muslime (ZMD) mitinitiierte Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schüler*innen gegen Antisemitismus“ der JuMu Deutschland gGmbH wird von der nordrhein-westfälischen Landesregierung noch immer als Vorzeige-Projekt präsentiert. „JuMu ist vielfachtalentiert“, sagte Asli Sevindim, Leiterin der Integrationsabteilung im NRW-Integrationsministerium, Anfang September im Landtag. Ebenso wie Landesintegrationsminister Joachim Stamp (FDP) in einer im März veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Landtagsfraktion machte Sevindim den Erfolg des Projektes auch daran fest, dass es von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit einem Preis ausgezeichnet worden sei. Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) ging im September 2019 bei einer Debatte im Plenum sogar so weit, die weitere Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem ZMD auch mit diesem Projekt zu rechtfertigen.

Bei diesem Projekt sollen mit Hilfe von Workshops in nordrhein-westfälischen Schulen Jugendliche für das Thema Antisemitismus sensibilisiert werden. Das auch als „JuMu“ (Juden und Muslime) bezeichnete Projekt wurde bereits 2018 und 2019 vom Integrationsministerium mit 160.000 Euro gefördert. Integrationsminister Joachim Stamp hatte bereits in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage angekündigt, das Projekt auch 2020 und 2021 zu fördern. Wie hoch der derzeitige Förderbetrag ist, wurde dabei jedoch nicht mitgeteilt.

Bezüge zum Netzwerk der Muslimbruderschaft?

Bei der genauen Betrachtung des Projekts fallen jedoch Bezüge zu langjährig bekannten Akteuren aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft auf. So wurde in einer Projekt-Dokumentation, die Weiterlesen

Graue Wölfe in der NRW-CDU schon seit 2014 bekannt

Am Dienstag sorgte ein TV-Bericht über die Nähe eines Duisburger CDU-Ratskandidaten zu den Grauen Wölfen für nicht wenig Wirbel. Dabei sind die Bezüge von Sevket Avci zu den Grauen Wölfen seit sechs Jahren öffentlich bekannt und auch belegt. Das Beispiel lässt Zweifel an Armin Laschets Darstellung aufkommen, nach der Graue Wölfe aus der NRW-CDU ausgeschlossen werden. Laschet hatte die Grauen Wölfe in der CDU bereits 2014 heruntergespielt.

Sevket Avci (l.) und Gürsel Dogan (r.) am Tisch einer Versammlungsleitung. Dass es sich dabei um eine Versammlung von Grauen Wölfen handelt, belegen die Bilder und Flaggen im Hintergrund (Herkunft des Bildes ungeklärt, vermutlich vor 2014 in Duisburg aufgenommen)

Ein am Dienstag ausgestrahlter Bericht von „Report Mainz“ über die Nähe des Duisburger CDU-Ratskandidaten Sevket Avci zu den türkisch-rechtsextremen Grauen Wölfen sorgt wenige Tage vor der nordrhein-westfälischen Kommunalwahl für Wirbel. Bislang stellte sich die CDU jedoch hinter den 56-Jährigen. „Graue Wölfe werden aus der CDU ausgeschlossen. Da gibt es klare Regeln“, sagte der CDU-Landesvorsitzende, Ministerpräsident Armin Laschet, auf Nachfrage von „Report Mainz“. Avci selbst ließ über seinen Anwalt eine Nähe zu der auch als „Ülkücü“ bezeichneten Bewegung bestreiten. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) handelt es bei den Grauen Wölfen um die größte rechtsextremistische Bewegung in Deutschland.

Tatsächlich ist Avcis Nähe zu den Grauen Wölfen Weiterlesen

Die fünf größten Irrtümer über den Zentralrat der Muslime

Über den Zentralrat der Muslime gibt es eine Reihe weit verbreiteter, aber dennoch falscher Annahmen. Dies ist neben allgemeinen Fehleinschätzungen aus Unkenntnis auch auf die Selbstdarstellung des Dachverbandes zurückzuführen.

Der Sitz von ZMD und ATIB in Köln (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Der Zentralrat der Muslime (ZMD) wird von nicht wenigen Politikern und Journalisten für ein Vertretungsorgan aller Muslime in Deutschland gehalten. Der gegenwärtige ZMD-Vorsitzende, Aiman Mazyek, ist medial nahezu omnipräsent, wann immer es in der Gesellschaft um islamische Themen geht. Diese Präsenz ist nicht nur das Ergebnis wirklich fleißiger Lobby-Arbeit, sondern auch die Folge einiger weit verbreiteter Irrtümer. Diese Irrtümer werden, da sie sich positiv auf die allgemeine Wahrnehmung des ZMD als Interessenvertretung auswirken, nicht nur nicht korrigiert, sondern nach Kräften aufrechterhalten.

Irrtümer brauchen aber immer zwei Seiten. Eine Seite, die sie interessengeleitet erzeugt oder aufrechterhält. Und eine, die den Irrtum entweder naiv als bare Münze nimmt oder zumindest fahrlässig wegschaut, obwohl man die falsche Annahme eigentlich schnell aufklären könnte. Das ist teilweise in dem Unwillen begründet, sich mit komplexen (Reiz-) Themen genauer auseinanderzusetzen. Teilweise liegt es aber auch an der ideologischen Sicht identitätspolitischer Ansätze, Minderheitenselbstorganisationen dürften in ihrer Selbstdarstellung nicht hinterfragt und müssten in ihrer Fremdwahrnehmung unterstützt werden. Nicht zuletzt liegt es aber auch am Marketing des ZMD, das den Verband größer und moderater erscheinen lässt, als er ist.

Zu einer wirklichkeitsnahen Einschätzung gelangt man allerdings nur durch einige Fakten zum ZMD, die dieser selber nicht liefert. Im Folgenden werden die Irrtümer behandelt, die sich bislang am hartnäckigsten gehalten haben.

1. Der ZMD vertritt alle Muslime in Deutschland

Der sunnitisch dominierte ZMD vertritt trotz seines Eigenanspruchs, für viele, wenn nicht gar alle Weiterlesen

ATIB bald auch im NRW-Verfassungsschutzbericht?

Aufgrund von Fragen zur gestiegenen Anzahl der Anhänger der Muslimbruderschaft erläuterte Landesverfassungsschutz-Chef Burkhard Freier am Donnerstag im NRW-Landtag, warum legalistische Islamisten langfristig gefährlicher sind als Salafisten. Als die Grauen Wölfe zur Sprache kamen, wurde angedeutet, die ATIB könnte im nächsten Landesverfassungsschutz-Bericht aufgeführt sein.

Wegen des Corona-Virus mussten Journalisten und andere Besucher des Innenausschusses in Glaskabinen Platz nehmen. Um trotzdem erkennen zu können, wer gerade redet, wurde die Sitzung gleichzeitig auf den Monitoren des Sitzungssaals gezeigt (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Im Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags in Düsseldorf wurde am Donnerstag der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 erörtert. Der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, beantwortete eine Reihe von Fragen der Oppositionsfraktionen. Dabei ging es auch um die gestiegene Zahl von Anhängern der Muslimbruderschaft in NRW.

Das der Muslimbruderschaft zugerechnete Personenpotential in Nordrhein-Westfalen war 2019 im Vergleich zum Vorjahr von 65 auf 250 gestiegen. Das ist das mit großem Abstand stärkste Wachstum im Bereich des Islamismus und entspricht fast einer Vervierfachung. „Wir haben Erkenntnisse dazu, dass die Zahlen gestiegen sind“, erläuterte Burkhard Freier. „Wir haben festgestellt, dass viele Moscheen der Muslimbruderschaft deutlich mehr Zulauf haben.“ Auch der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel Weiterlesen

IZA und Muslimbruderschaft: Aachener Finten II

Wegen der Corona-Krise war auch das Islamische Zentrum Aachen (IZA) dazu gezwungen, mehr Aktivitäten in das Internet zu verlagern. Das gewährte jedoch auch tiefere Einblicke in die Betätigungen und Strukturen des IZA. Dabei waren Bezüge zur Muslimbruderschaft wie auch zur Salafisten-Szene zu finden. Zuletzt war eine Erwähnung des IZA in den Verfassungsschutzberichten aufgrund zurückgegangener Aktivitäten rechtlich nicht mehr zulässig. Die corona-bedingten neuen Einblicke deuten jedoch mehr auf Verlagerungen, aber nicht auf rückläufige Aktivitäten.

Minarett der zum IZA gehörenden Bilal-Moschee in Aachen (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Zu der Aufteilung der nationalen Strömungen der Muslimbruderschaft führte der hessische Verfassungsschutz vor längerer Zeit aus: „Der syrische Zweig der Muslimbruderschaft ist im Islamischen Zentrum Aachen (IZA) vertreten und tritt unter der Bezeichnung ,Islamische Avantgarden‘ auf. Auch sie sind in Frankfurt am Main aktiv. Beide Zweige (gemeint sind die Islamische Gemeinschaft in Deutschland, IGD, jetzt Deutsche Muslimische Gemeinschaft, DMG, und das IZA, Anm. d. Autorin) verfügen im Bundesgebiet über jeweils etwa 500 Mitglieder. Ziel dieser Zweige ist es vor allem, in Deutschland lebende Muslime für die Muslimbruderschaft zu gewinnen. Es werden Publikationen herausgegeben sowie Seminare und Treffen organisiert.“ Die Zahlenangaben beziehen sich noch auf die alten Darstellungen, bei denen mit etwa 1.000 für den Verfassungsschutz sichtbaren Muslimbrüdern gerechnet wurde. Seit einigen Jahren wird das IZA nicht mehr in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.

Am und vor allem für das IZA sind viele Personen aus der alten Garde jedoch weiterhin aktiv. Issam al-Attars Aktivitäten sind im ersten Teil dieses Beitrags beleuchtet worden. Al-Attar hat, wie im ersten Teil ausgeführt, seine Internet-Gefolgschaft von über 300.000 Followern und hält Reden; zuletzt wurden allerdings eher alte Aufnahmen erneut veröffentlicht. Nadeem Elyas, der frühere Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD), Mitglied des ehemaligen DIWAN-Ausschusses des ZMD und IZA-Ratsmitglied, vermittelt seit langen Jahren, wenn es um den Dialog mit den Kirchen geht und das vor allem über die Kooperation mit Jürgen Miksch. Der evangelische Theologe erwies sich als loyaler Fürsprecher, der auch frühere kritische Berichterstattung zu radikalen Haltungen, wie etwa 2003 durch Report Mainz, stets in Nibelungentreue ausgesessen hat. Ahmad al-Mrayati verantwortet weiterhin formal federführend die Informationsverbreitung über den Islamischen Info.Dienst (IID) und ist durch eine medizinische Organisation nach Syrien vernetzt. Salahdin Nakdali, früherer Leiter der Moschee mit wenig Berührungsängsten zu bekannten Hardlinern, predigt weiterhin.

Belegbild: http://www.facebook.com/WSUchannel, Abruf 01.08.2020

Gelegentlich trat man auch zusammen in Erscheinung, wie etwa 2013 bei der Eröffnungsfeier der Bonner al-Muhajirin Moschee. Der IID machte Aufnahmen, filmte und fotografierte. Auf dem links angefügten Bild kann man Mousa Metwaly und Issam al-Attar am Tisch mit dem verstorbenen Mohamed Hawari sehen. Für die Gäste aus der Mehrheitsgesellschaft, darunter der heutige nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP), gab es in der al-Muhajirin-Moschee hingegen eine separate Feier. Der heutige Stellvertreter des DMG-Vorsitzenden Khallad Swaid, Sabri Shiref, stammt übrigens aus dieser Gemeinde dieser Moschee.

Corona-Krise führt zu tieferen Einblicken

Die Corona-Krise führte nun dazu, dass auch das IZA große Teile seiner Aktivitäten in das Internet verlegen musste. Dadurch wurde erkennbar, welche Imame derzeit im IZA verantwortlich sind oder als Weiterlesen

IZA und Muslimbruderschaft: Aachener Finten

In den Verfassungsschutzberichten wird das Islamische Zentrum Aachen (IZA) schon seit Jahren nicht mehr erwähnt. Viele problematische Verknüpfungen werfen jedoch Zweifel daran auf, ob sich die ideologische Ausrichtung und die Bestrebungen des IZA wirklich geändert haben.

Die Bilal-Moschee in Aachen (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Das Islamische Zentrum Aachen (IZA) war wegen seiner Bedeutung und seiner Bezüge zur Muslimbruderschaft schon mehrfach Thema auf diesem Blog. Die Bedeutung resultiert nicht nur aus der langen Zeit, in der die aus Syrien stammenden Gründerpersönlichkeiten in Aachen wirken; sie ist vor allem auch den Betätigungen der Gemeindemitglieder geschuldet. So wird der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD) üblicherweise aus den Kreisen des IZA gestellt, erst bei den Stellvertretern oder anderen Vorstandsmitgliedern finden die anderen großen Mitgliedsverbände ihre Repräsentanz. Mit Mohamed Hawari stellte das IZA darüber hinaus nicht nur den Vorsitzenden des wichtigen DIWAN-Ausschusses des ZMD, sondern er war auch bis zu seinem Tod 2015 unter anderem eine Repräsentanz beim einflussreichen European Council for Fatwa and Research (ECFR). Das ECFR wird vom Verfassungsschutz der Muslimbruderschaft zugeordnet.

Neben Ahmad Mazyek, dem 2019 verstorbenen Vater des aktuellen ZMD-Vorsitzenden Aiman Mazyek, sowie dem langjährig vielfach aktiven vormaligen ZMD-Vorsitzenden Nadeem Elyas, spielte Issam al-Attar eine zentrale Rolle. Al-Attar war von 1957 bis 1975 formales Oberhaupt der syrischen Muslimbruderschaft. Er lebt seit Ende der sechziger Jahre in Aachen und war einer der Gründer des IZA. Laut eines Vereinsregisterabrufs vom 5. Juli ist al-Attar auch immer noch Vorsitzender der „Vereinigung der Freunde und Förderer der Bilal-Moschee“. Bei der Bilal-Moschee handelt es sich um die Moschee des IZA.

al-Attar im Kreise von Gästen und Vertrauten, darunter Issam al-Mrayati 2013. Belegbild: Facebook-Seite der WSU, veröffentlicht am 18.09.2013

Auf seiner Facebook-Seite, die wahrscheinlich unter anderem von Issam al-Mrayati, dem Sohn seines langjährigen Weggefährten Ahmad al-Mrayati, einem Mönchengladbacher Arzt, betreut wird, hat al-Attar über 300.000 Follower. Geleitet wurde das IZA laut Vereinsregister jedoch von Imam Salahdin Nakdali. Gemeinsam mit Ahmad al-Mrayati und Adnan Nakdali, dem Sohn von Salahdin Nakdali, der auch als Imam im IZA aktiv ist, ist er für den dem IZA zuzuordnenden Islamischen Info.Dienst (IID) verantwortlich. Auf den zugehörenden Internet-Seiten dieses Informationsdienstes (hier und hier) sind die ganzen Betätigungen dieses Kreises um das IZA herum über mehrere Jahrzehnte dokumentiert. Die Aktivitäten dieser Medien dauern zumindest auf Facebook bis heute an.

Auch al-Attars Kinder übernahmen Funktionen

Al-Attars Stellvertreter in dem Förderverein ist laut des Vereinsregisterauszugs vom 5. Juli noch immer Weiterlesen

NRW: Freie Fahrt für Muslimbrüder?

Eine Antwort von NRW-Innenminister Herbert Reul auf eine Kleine Anfrage zum IKV Bochum offenbart, dass Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über die „Muslimbrüder-Moschee“ nicht direkt an die Politik weitergegeben wurden. Gleichzeitig werben Landesintegrationsminister Joachim Stamp und Staatssekretärin Serap Güler für ein Netzwerk, bei dem einige Teilnehmer Bezüge zum Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft haben. Damit drohen die Warnungen von Herbert Reul und Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier vor der Muslimbruderschaft wirkungslos zu verpuffen.

Landesintegrationsminister Stamp und Staatssekretärin Güler werben für CLAIM (Belegbild: Facebook-Seite „Chancen NRW“ des NRW-Integrationsministeriums, Abruf 24.06.20)

In der jüngeren Vergangenheit warnte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) mehrfach mit eindringlichen Worten vor der Muslimbruderschaft. „Zum anderen sind islamistische Bewegungen wie die Muslimbruderschaft gut verankert und vernetzt. Sie versuchen, im Sinne ihrer extremistischen Ideologie Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen“, schrieb Reul erst vor wenigen Wochen im Vorwort des neuen Verfassungsschutzberichts des Landes NRW. Noch deutlicher wurde der CDU-Politiker im September letzten Jahres, als er den „traditionelle Islamismus, der zunehmend in die Gesellschaft eindringt“, im Landtag als „Gefahr für die Demokratie“ bezeichnete. Als Beispiel dafür nannte er die Muslimbruderschaft, die sich seinen Worten zufolge „zunehmend als gesellschaftlich akzeptable Alternative zum Salafismus präsentiert“.

Abseits dieser Warnungen verfestigt sich jedoch der Eindruck, dass die Bedrohung durch die Muslimbruderschaft von der nordrhein-westfälischen Politik nicht sonderlich ernst genommen wird. Dies offenbarten etwa die Auseinandersetzungen um den Weiterlesen