Essen: Play it again, Sam

Erklärungen hören sich meist gut an. Sie klingen nach frischem Wind und Tatkraft, nach Absicht und gutem Willen. In Essen hat die Komission Islam und Moscheen (KIM) im Jahr 2005 eine Erklärung verfasst, die als Reaktion auf 9/11 gedacht war. Soweit zumindest der Text. Nach vier Jahren (!) hatten sich die Vertreter der meisten Essener Moscheegemeinden geeinigt, etwas gemeinsam zu unterzeichnen:

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Was erstaunt:

Diese gemeinsame Aktion wird unterstützt durch • Dr. Wolfgang Reiniger, Oberbürgermeister der Stadt Essen • Gudrun Hock, Geschäftsbereichsvorstand Soziales, Arbeit und Gesundheit • Polizei Essen • Integrationsbeirat der Stadt Essen • RAA/Büro für interkulturelle Arbeit • Essener Verbund der Immigrantenvereine e. V. • Zentrum für Türkeistudien • Islambeauftragte der Polizei, der katholischen und der evangelischen Kirche in Essen

Warum machen bei einer „Erklärung der Essener Muslime“ die Polizei, Kirchen, Wissenschaft und die Kommune mit? Was ist der Anteil dieser Institutionen an dieser Erklärung?

 

In den meisten Fällen st das ein Hinweis darauf, dass die Moscheegemeinden bzw. ihre Dachorganisation das nicht ganz freiwillig, also aus sich heraus machte, sondern dass eben die genannten „Partner“ an dieser Stelle heftig gedrückt, geschoben und ggf. schon vorformuliert haben. Für etwas, das man aus sich heraus macht, braucht es auch keine vier Jahre. Für etwas, wohinter man wirklich steht, was man will und auch kann, braucht es keine gemeinsame Aktion, das schafft man leicht selbst. Das hat etwas von assistiertem Schreiben bei Koma-Patienten.

Und auch anders herum muss man fragen: Wenn auch Polizei und Kommune bei einer solchen Aktion die Feder führen, so gab es doch sicher Anlässe, eine solche Erklärung auch vier Jahre nach 9/11 noch anzustreben. Solche Erklärungen lässt man eigentlich nur unterzeichnen, wenn man das Erklärte zur Grundlage machen will, wenn also Zweifel bestehen, dass das Erklärte auch ohne die Schriftform eingehalten wird. Man beacht im Text:

Wir Muslime erachten es als selbstverständlich und verpflichten uns erneut demokratische Strukturen zu unterstützen und mit Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten und entsprechend Anzeige zu erstatten, wenn im Einzelfall erkennbar das friedliche Zusammenleben gefährdet ist.

Erneut heißt, dass es auch da schon etwas vorher gab. Vielleicht nicht schriftlich fixiert.
„Erkennbar“ setzt natürlich unter den Vorbehalt, dass das dem eigenen Erkenntnishorizont zugeordnet werden kann. Konnte oder musste man 2011 wissen, dass z.B. Sven Lau ein problematischer Vortragsredner ist? Aber ja, das war auch auf damaligem Erkenntnisstand möglich.

Genannte Erklärung – die auch von den Gemeinden unterzeichnet wurde, die Tarik ibn Ali einluden bzw. unter Beobachtung stehen – war jedoch anscheinend nicht ausreichend, damit sich einige (nicht alle!) doch nicht an das Erklärte gebunden fühlten. Denn 2012, nachdem problematische Prediger s.o. zu Gast waren in einigen Einrichtungen und wohl unter dem Eindruck der Ereignisse von Bonn und Solingen, aber auch der PRO NRW und Beschneidungsdebatte, wurde eine weitere Erklärung aufgesetzt:

Klicke, um auf kim-e-treffen-der-muslimischen-vertretungen-am-27-09.pdf zuzugreifen

Zunächst ist interessant, dass vor der Erklärung diese Erläuterungen vorangestellt werden:

Muslime verbinden hiermit zwei wichtige Ziele: – Zugewanderte und ihre Nachkommen erhalten Raum, um ihre Werte zu leben und reihen sich gleichzeitig ein, um am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, – die aufnehmende Gesellschaft ebnet ihnen den Weg, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen.

Sikhs, Buddhisten und religiös ungebundene Migranten schaffen ihren Weg in die Gesellschaft zwar auch ohne gesondertes Ebnen (wozu gibt es die Ausländerbeiräte?), aber manche meinen, dass auch in der zweiten oder dritten Generation noch gesondert geebnet werden muss (was sagt das über das Eigenbild aus?). Genannte Migrantengruppen machen es sich oftmals eben nicht so einfach mit der Schuldzuweisung.

Da der gesamte Text eher forderungslastig ist (z.B. „Die Berichterstattung sollte allerdings auch positive Inhalte in die Öffentlichkeit tragen.„) und auch keine Partner genannt sind, scheint dies weitgehend die Arbeit der KIM zu sein. Parallel wurde NOCH ein Gremium ins Leben gerufen: Der „Initiativkreis Religionen in Essen, IRE“. Wenig überraschend sind wieder die gleichen Akteure von muslimischer Seite dabei, der Herr Balaban und der Herr Karioh:

https://initiativkreisreligionenessen.wordpress.com/mitglieder/

Der IRE erscheint also als ein weiteres Gremium, in dem gemeinsame Interessen (hier allgemein gläubiger Personen, wobei man sich fragen muss: Wo sind die Sikh, wo sind die Buddhisten etc. ?) gegenüber der Kommune vertreten werden. Im Grunde eine weitere institutionalisierte Einbahnstrasse.

Auch diese Erklärung hinderte den Herrn Balaban nicht, sein schützendes Händchen über die Grauen Wölfe zu halten, auch diese Erklärung verhinderte nicht, dass in die Gemeinde von Herrn Karioh wiederholt jemand wie Tarik ibn Ali eingeladen wurde (s. Beitrag Essen II).

Schon 2011 gab es deutliche Kritik, eine Lokalzeitung bezeichnete Herrn Balaban wegen der nachweislichen Nähe zu den Grauen Wölfen als „unwählbar“:

http://www.lokalkompass.de/wesel/politik/herr-balaban-rechtsextreme-graue-woelfe-und-der-essener-integrationsrat-d113980.html

Für die KIM blieb er als Vorsitzender und Repräsentant offenkundig tragbar und bis heute im Amt:

https://islaminessen.wordpress.com/gemeinden-in-essen/

Das wirft ein seltsames Licht auf ALLE beteiligten Organisationen, denn die Nähe zu den Grauen Wölfen ist aus vielen Gründen inakzeptabel. Nur nicht für die KIM, wie es scheint, und all die anderen Gremien, in denen er sitzt.

In 2012 also das Lippenbekenntnis nebst Forderungskatalog.

Immerhin brauchte man nach Solingen diesmal „nur“ 4 Monate.

Im Gefolge der Anschläge in Brüssel und des deutlichen Aufschreis in der Kommune bei Bekanntwerden der Einladung des problematischen Tarik ibn Ali dieses Jahr wurde wiederum eine Erklärung abgefasst:

Klicke, um auf kim-e_grundsatzerklc3a4rung-der-essener-muslime-vom-22-04-2016.pdf zuzugreifen

Wie glaubwürdig kann dieser Punkt

Die Verantwortlichen der Moscheegemeinden und jeweiligen Imame müssen ihre Pflicht wahrnehmen, die eigenen Gemeinden zur Einhaltung der friedensstiftenden Ethik der islamischen Religion zu ermahnen und bei der Bildung einer Essener Friedenssolidarität zusammenzuarbeiten.

von den gleichen Personen vertreten werden, deren bisherige Erklärungen zu wenig Wirkung hatten schon auf das EIGENE Verhalten?

Die kommunalen Akteure wechselten. Balaban und Karioh können daher mit einigen neuen Akteuren wieder von vorne beginnen. Man bekundet:

„Darüberhinaus haben sie sich noch energischer mit den Themen Extremismus und Terrorismus auseinanderzusetzen. “

Der Herr Balaban mit dem freundlich formuliert ungeklärten Verhältnis zu den Grauen Wölfen und der Herr Karioh, dessen Einschätzung von Tarik ibn Ali so verharmlosend war?

Ändern wird sich so wahrscheinlich genau nichts, aber man hat halt mal wieder erklärt. Das gleiche Klavier, die selbe Melodie, andere Spieler. Immerhin wurden diesmal nur 4 Wochen benötigt. Man wird schneller. Aber man hat ja Erfahrung, und man erwartet die gleichen Reaktionen, die man schon bislang erhielt: Oh, eine Erklärung. Sehr gut. Das ist doch mal was!

Play it again, Sam.

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