Zwei Terror-Urteile hintereinander

Dienstag dieser Woche hat das OLG Düsseldorf direkt hintereinander zwei Terror-Prozesse mit Urteil abgeschlossen. Beim Prozess um den vom Iran gewünschten Brandanschlag auf eine Synagoge war ich über das geringe Medieninteresse verwundert. Das Verfahren gegen den Duisburger Attentäter Maan D. hat aufgezeigt, dass unser Strafrecht Personen nicht abschrecken kann, die an ein höheres Recht glauben, nach dem sie für das Töten anderer im Jenseits belohnt werden.

Vor dem Hochsicherheitstrakt des OLG Düsseldorf (Bild: Sigrid Herrmann)

Am Dienstag habe ich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zum ersten Mal erlebt, wie ein Richter zwei Urteile in Terror-Prozessen direkt hintereinander verkündet. Zuerst das gegen Babak J. wegen des vom Iran in Auftrag gegebenen Anschlagsversuchs auf eine Synagoge (zwei Jahre und neun Monate). Und dann das gegen den syrischen Flüchtling Maan D., der zuerst ein Zufallsopfer ermordet und neun Tage später vier junge Männer in einem Duisburger Fitness-Studio mit dem Messer schwerst verletzt hat (lebenslang und anschließende Sicherheitsverwahrung). Offenbar wollte der Vorsitzende Richter Jan van Lessen beide Fälle noch vor Weihnachten erledigt wissen. Was wohl jeder, der die Verfahren verfolgt hat, auch gut verstehen wird.

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Großevent mit radikalem Prediger in Düsseldorfer Assalam-Moschee

Die Assalam-Moschee wird in Düsseldorf als Vorzeige-Gebetsstätte gehandelt. Nicht zuletzt deswegen wurde dem Trägerverein ein großer Neubau im Stadtteil Reisholz genehmigt. Dort aber fand im April ein Großevent mit einem radikalen Prediger statt. Und der ist einem alten Bekannten aus der Mönchengladbacher Salafisten-Szene eng verbunden.

Die Masjid-Assalam-Moschee in Düsseldorf-Reisholz (Bild: Sigrid Herrmann)

Träger der Düsseldorfer Assalam-Moschee ist der Masjid-Assalam-Verein. Der 1996 unter dem Namen „Islamische Vereinigung In Düsseldorf Und Umgebung“ gegründete und später umbenannte Verein bemühte sich im Vorfeld eines Bauvorhabens für die größte Moschee in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt erheblich um die Akzeptanz bei der lokalen Politik. Teil dieser Öffentlichkeitsarbeit war auch die Einbindung der Presse. Hinterfragt wurde die Selbstdarstellung des Vereins nur selten. So kann man in einem Artikel in der Rheinischen Post aus dem Jahr 2014 lesen, „der marokkanische Trägerverein legt Wert auf Transparenz“.

Ob die versprochene Transparenz und auch die hehren Worte des Vereins zu Grundgesetz und Toleranz auf seiner Internet-Seite nach dem weitgehenden Abschluss des Baus der Moschee im Stadtteil Reisholz auch tatsächlich umgesetzt werden, ist allerdings fraglich. So findet sich weder auf den Internet-Seiten noch auf der Facebook-Seite des Vereins ein Hinweis auf ein Großevent Mitte April, an dem laut Angaben des Referenten über 2.800 Besucher teilgenommen haben sollen.

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„Hilfe“ durch Handel – Ersatz für Ansaar International?

Wegen des Verdachts der Terror-Finanzierung wurde die vermeintliche Hilfsorganisation Ansaar International vor fast zwei Jahren verboten. Damit verbunden war die Auflage, keine Ersatz- oder Nachfolgeorganisationen bilden zu dürfen. Auflagen dieser Art setzen jedoch voraus, dass Ersatzorganisationen auch als solche erkennbar sein müssen.

Belegbild: Projektbilder der Barakka Group, Quelle: Internet-Seite der Barakka Group, Abruf 15.04.2023

Ansaar International e.V. war eine Spendensammel-Organisation mit Sitz in Düsseldorf. Die Spenden wurden überwiegend bei Muslimen gesammelt. Dabei wurde angegeben, als Hilfsorganisation Menschen in Syrien, Somalia, Palästina und Afghanistan zu unterstützen. An der Spitze des Vereins stand Joel Kayser. Der in Düsseldorf lebende Kayser hat in den letzten Jahren verschiedene Vor- und Nachnamen genutzt. Seit seiner Konvertierung zum Islam nennt er sich Abdurahman und wirbt in Videos mit szenetypischem Bart für seinen Glauben. In den Reise-Videos von Ansaar stand er meistens im Mittelpunkt.

Am 5. Mai 2021 wurde Ansaar International vom Bundesinnenministerium verboten. Grund war der Vorwurf, Ansaar International verfolge „den Strafgesetzen zuwiderlaufende Zwecke und Tätigkeiten und richtet sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung“. Damit war gemeint, dass Ansaar unter dem Deckmäntelchen humanitärer Hilfe zur Finanzierung von Terror-Organisationen, etwa der palästinensischen Hamas, beigetragen haben soll. Außerdem wurde dem Verein salafistische Missionierung vorgeworfen.

In den Jahren vor dem Verbot hatte der Verein, der zunächst Ansaar Düsseldorf hieß, ein bundesweites Netzwerk von Sammelstellen aufgebaut, etwa für Bargeld, aber auch für Sachgüter. In der Hochzeit des Islamischen Staates (IS) wurden Hilfsgüter nach Syrien oftmals in hierzulande ausgedienten und angekauften Krankentransportfahrzeugen verschickt. Nach dem Verbot sammelten sich über 14.000 Unterstützer auf einer Petitionsplattform, um dort dessen Aufhebung zu fordern. In der Statistik der Petition fällt auf, dass die stärkste Unterstützung dafür mit jeweils Hunderten Anhängern aus Düsseldorf sowie Frankfurt am Main gekommen ist. Eingereicht wurde die Petition bis zur Veröffentlichung dieses Beitrages jedoch nicht.

Zusammen mit Ansaar hatte das Bundesinnenministerium auch rund ein Dutzend weitere Organisationen verboten, weil diese als Teil eingestuft wurden. Dabei wurde auch kein Unterschied gemacht, ob diese als Vereine oder als Handelsfirmen eingetragen waren. Unter diesen Teilorganisationen befand sich auch die Änis Ben-Hatira Help e. V./Änis Ben-Hatira Foundation (ÄBH) mit Sitz in Berlin. Von 2016 bis 2019 war Kayser auch stellvertretender Vorsitzender dieses Vereins. Darin wurde er erst abgelöst, nachdem auch beim Vorsitzenden Ben-Hatira Durchsuchungen stattgefunden hatten. Eine weitere Person aus Düsseldorf fungierte von der Gründung bis zum Verbot als Kassierer der ÄBH. Deren öffentlich sichtbare Betätigungen richteten sich vor allem auf den Handel mit fair gehandelten Naturkostprodukten für ein nicht vom Verbot umfassten Unternehmen. Gehandelte Produkte kamen unter anderem aus „Palästina“.

„Angehörige“ als Strohfrau?

Seit mehreren Monaten scheint nun auch Kayser in Sachen fairer Handel und Naturkost wieder aktiv. Das Unternehmen, für das er in Internet-Videos wirbt, heißt Barakka Group und wird nach Kaysers Angaben in einem Video vom September 2021 von einer „nahen Angehörigen“ geleitet. Zur Barakka Group gehören unter anderem eine Internet- und eine Facebook-Seite sowie ein YouTube-Kanal.

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Geständige Einlassung oder IS-Rückkehrerinnenlatein?

Obwohl sie einräumt, mit mehreren IS-„Kämpfern“ verheiratet gewesen zu sein, mit Zustimmung des IS eine Villa bezogen und im Namen von IS-Frauen Spenden gesammelt zu haben, will Monika K. keine Anhängerin der Terror-Organisation gewesen sein. Zumindest versucht die 28-Jährige das dem Gericht in Düsseldorf weiszumachen. Namen von potentiellen Zeugen will sie aber nicht preisgeben. Auf Zweifel an diesen Darstellungen reagieren ihre Anwälte mit Empörung.

Monika K. zwischen ihren Anwälten, rechts Johannes Pausch (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Seit 8. November muss sich Monika K. vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, sich gemeinsam mit ihrem damaligen Mann 2014 in Syrien der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen zu haben. Die Führung des gemeinsamen Haushalts soll vom IS finanziert worden sein. 2015 soll der IS dem Paar eine Villa samt hochwertiger Einrichtung, darunter auch ein Whirlpool, zur Verfügung gestellt haben.

Nach ihrer Festnahme im März 2019 soll sie im Gefangenenlager Al-Hol ein Internet-Spendennetzwerk namens „Justice for Sisters“ zugunsten weiblicher IS-Mitglieder betrieben haben. Auch nachdem sie Ende 2019 von einem höherrangigen IS-Mitglied aus dem Lager geschleust wurde, soll sie weiterhin den Kontakt zwischen Geldbeschaffern in Deutschland und IS-Frauen in Syrien gehalten haben. Dabei wurde sie im September 2020 festgenommen. Im März 2022 wurde sie nach Deutschland ausgeflogen und unmittelbar nach ihrer Landung in Frankfurt in Untersuchungshaft genommen.

Abweichende Sitzregelung für Frauen?

Ein Blick zurück auf den Beginn des Prozesses: Als Monika K. zum ersten Mal den Gerichtssaal betritt, hält sie ihr Gesicht hinter einem Aktenordner verborgen. Üblicherweise ein Zeichen dafür, dass sich Angeklagte ihrer Taten schämen. Aber kaum haben die Fotografen den Saal wieder verlassen, ist der Aktenordner auch schon weg. Zum Vorschein kommt eine dunkelblonde, westlich, schon fast körperbetont gekleidete und eher unscheinbar wirkende kleine Frau. In der Öffentlichkeit würde ihre Erscheinung kaum Aufmerksamkeit hervorrufen, schon gar nicht den Gedanken, eine Terror-Unterstützerin vor sich zu haben.

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Verena M.: Erwartetes Strafmaß, aber inkonsistente Begründung

Am Dienstag wurde die IS-Rückkehrerin Verena M. in Düsseldorf zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Vor Gericht hatte sich die 33-Jährige abseits ihres Distanzierung vom IS als ideologisch gefestigt präsentiert. Der Strafsenat beschrieb sie in seiner Urteilsbegründung als geläuterte Rückkehrerin, ließ sich bei dieser Einordnung aber auffällig viele Hintertürchen offen.

Verena M. kurz vor der Verkündung ihres Urteils (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Wegen Mitgliedschaft in der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS), schwerer Entziehung Minderjähriger sowie des Besitzes von Kriegswaffen wurde die aus Troisdorf stammende IS-Rückkehrerin Verena M. am Dienstag vom 7. Strafsenat des Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das Strafmaß entsprach der Forderung der Bundesanwaltschaft. Die Verteidigung hatte zwei Jahre Haft auf Bewährung sowie Entlassung aus der Haft gefordert. Der maximale mögliche Strafrahmen erstreckte sich in diesem Fall auf zehn Jahre. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die heute 33-Jährige ist im Sommer 2015 mit ihrem damals fünfjährigen Sohn gegen den Willen des Kindsvaters in das Herrschaftsgebiet des IS gegangen. Im Januar 2019 wurde sie in Syrien von kurdischen Milizen gefangen genommen. Am 7. Oktober 2021 wurde sie zusammen mit anderen IS-Rückkehrerinnen sowie deren Kindern auf Initiative des Auswärtigen Amtes (AA) nach Deutschland zurückgeholt. Bei der Ankunft am Flughafen Frankfurt wurde sie verhaftet. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft. Der Prozess gegen sie begann am 28. März.

Debakel für die Verteidigung

Als der Vorsitzende Richter Lars Bachler am Ende seiner Urteilsbegründung detailliert erläuterte, warum die fast drei Jahre, die Verena M. in kurdischen Lagern inhaftiert war, im Gegensatz zur Untersuchungshaft nicht als bereits verbüßter Teil der Haftstrafe angerechnet wird, geriet die Urteilsverlesung für M.s Anwältin Seda Basay-Yildiz zum Debakel. Denn deren Verteidigungsstrategie bestand fast ausschließlich aus der Forderung, die Zeit in den Lagern müsse im Verhältnis 1:3, also drei Tage weniger Haft in Deutschland für jeden Tag im Lager, auf die Strafe angerechnet werden. Basay-Yildiz begründete das mit den dort herrschenden unmenschlichen Bedingungen sowie der Möglichkeit, Verena M. sei dort auf Anordnung des AA inhaftiert gewesen. Dies hatte das AA jedoch in Stellungnahmen gegenüber dem Gericht zurückgewiesen.

Auch an Verena M. ließ der Vorsitzende Richter zu Beginn seiner Begründung kein gutes Haar: Diese habe vor ihrer Konvertierung zum Islam ein aus Sozialleistungen und Gelegenheitsjobs bestehendes „orientierungslos anmutendes Leben“ geführt. Eine „Wende“ habe es erst gegeben, als sie sich für den Islam zu interessieren und im Koran zu lesen begann. Ihre Darstellung, sie habe von der Gewalt des IS nichts gewusst, wies Lars Bachler ebenso als unglaubwürdig zurück wie ihre Behauptung, sie habe ihren kleinen Jungen im IS-Gebiet nicht im Sinne der IS-Ideologie, sondern vielmehr in dem von Nächstenliebe und Barmherzigkeit erzogen. „Wir sind davon überzeugt, dass in dieser Zeit eine Ideologisierung des Kindes stattgefunden hat“, sagte er. „Und das Bild eines bewaffneten Kindes, das noch nicht mal zehn Jahre alt ist, ist eben kein Bild von Nächstenliebe und Barmherzigkeit.“ Es sei nur dem Zufall geschuldet gewesen, dass der Junge dort nicht zu Tode gekommen sei.

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Die Ehrlichkeit der Verena M.

Bei ihrer „ergänzenden Einlassung“ präsentierte sich die IS-Rückkehrerin Verena M. am Dienstag erneut als strenggläubige Muslimin, die sich von „Dawla“ betrogen fühlt und die Terror-Organisation mit scharfen Worten verurteilt. Das Gericht reagierte versöhnlich, wertete den Vortrag als Geständnis und versicherte ihr, dass ihr Auftreten im Hijab „keine Auswirkungen“ haben werde.

Verena M. beim Prozessbeginn am 28. März (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Am Dienstagvormittag gab die IS-Rückkehrerin Verena M. vor dem 7. Strafsenat des Oberlandesgericht Düsseldorf eine sogenannte ergänzende Einlassung ab. Das von ihr handschriftlich verfasste Papier umfasste rund 50 Seiten. Verlesen wurde es von ihrer Anwältin Seda Basay-Yildiz, die dafür mehr als 100 Minuten benötigte.

Die Troisdorferin hatte bereits zu Prozessbeginn am 28. März eine längere Erklärung verlesen lassen. Darin kündigte sie selbstbewusst an, dass sie ihren Hijab vor Gericht nicht für ein milderes Urteil ablegen wird. Was sie auch entsprechend umgesetzt hat: Bis zuletzt erschien die 33-Jährige stets mit einem Khimar, einer islamischen Frauenkleidung, die Stirn und Haare bedeckt und dann weit bis unter das Knie geht, sowie großflächiger Corona-Schutzmaske im Gerichtssaal. Außerdem sagte sie sich in dieser Erklärung von der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) mit scharfen Worten los. Dabei warf sie dem IS vor, „unislamisch“ gehandelt zu haben, sagte aber fast nichts dazu, warum sie im Sommer 2015 mit ihrem damals fünfjährigen Sohn in dessen Herrschaftsgebiet ausgereist war.

Diese Erklärung führte schnell zu Diskussionen, wie ihre Lossagung zu werten sei. Als ein Journalist der Bild-Zeitung, der mehrfach in kurdischen Gefangenenlagern recherchierte und dabei auch mit Verena M. gesprochen hatte, in seiner Vernehmung aussagte, er habe den Eindruck, dass sich die Angeklagte zwar vom IS losgesagt habe, darüber hinaus aber an ihrem ideologischen Fundament festhalte, führte das zu scharfen Reaktionen von Seda Basay-Yildiz, die diese Wertung nicht gelten lassen wollte.

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Verena M. bald wieder frei?

Beim Prozess gegen die IS-Rückkehrerin Verena M. beantragte deren Anwältin Seda Basay-Yildiz am Dienstag in Düsseldorf die Aufhebung des Haftbefehls. Unter anderem begründete sie dies damit, dass die kurdische Lagerhaft bei der deutschen Strafe im Verhältnis 1:3 angerechnet werden müsse. Mit dieser Sichtweise hatte Basay-Yildiz bereits beim Prozess gegen Sibel H. in München Erfolg.

Verena M. bei Prozessbeginn (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Der Prozess gegen die IS-Rückkehrerin Verena M. wurde Anfang dieser Woche vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) fortgesetzt. Die Troisdorferin erscheint dabei auch weiterhin vollverschleiert sowie mit Corona-Maske vor Gericht. Damit ist ihr Gesicht für niemanden im Saal erkennbar. Beim Prozessauftakt hatte die 33-Jährige angekündigt, ihren Hijab „nicht für ein milderes Urteil ablegen“ zu wollen.

Montagnachmittag stellte sich der Islamwissenschaftler Guido Steinberg den Fragen zu seinem Gutachten. Bei der Fortsetzung am Tag darauf wurde die Verlesung eines Briefes erwartet, den Verena M. aus der Haft an ihre Mutter geschickt hatte. Da sie sich darin zu ihrer Zeit bei der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) geäußert hatte, wurde der Brief vom Vorsitzenden Richter Lars Bachler als Beweismittel anerkannt. Umso überraschender war es, dass Bachler am Dienstag verkündete, der Brief werde nicht im Gerichtssaal verlesen und stattdessen im sogenannten Selbstleseverfahren behandelt. Damit wird in einem Strafprozess, der öffentlich geführt werden soll, ein möglicherweise wichtiges Beweisstück im Ergebnis der Kenntnisnahme der Öffentlichkeit entzogen.

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„Wegen Zugehörigkeit zum IS diskriminiert“

In Düsseldorf begann am Montag der Prozess gegen die IS-Rückkehrerin Verena M. Ihre Einlassung begann die Troisdorferin, die mit ihrem kleinen Jungen in das IS-Gebiet gegangen ist, mit einer Erklärung, ihren Hijab aus feministischen Gründen nicht für ein milderes Urteil ablegen zu wollen. Anschließend setzten M. und ihre Anwältin Seda Basay-Yildiz zum verstörenden Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr an.

Bild: Sigrid Herrmann-Marschall

Vor dem 7. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) begann am frühen Montagvormittag der Prozess gegen Verena M. Der aus dem zwischen Köln und Bonn gelegenen Troisdorf stammenden Frau wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, im Sommer 2015 mit ihrem damals knapp sechsjährigen Sohn ohne das Einverständnis des Kindsvaters in das Herrschaftsgebiet der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) gegangen zu sein. Dort soll sie zwei Schnellfeuergewehre, darunter eine AK-47, in ihrem Besitz gehabt und ihren kleinen Jungen der IS-Ideologie entsprechend erzogen sowie an den Gebrauch von Schusswaffen herangeführt haben. Außerdem habe sie ihrem neuen Mann, mit dem sie sich nach islamischem Ritus verheiratet fühlte, den Haushalt geführt und ihm damit sein Dasein als IS-Terrorist ermöglicht.

Verena M. wurde im Januar 2019 in Syrien gefangen genommen. Am 7. Oktober 2021 wurde sie zusammen mit anderen IS-Rückkehrerinnen sowie deren Kindern auf Initiative des Auswärtigen Amtes nach Deutschland zurückgeholt. Bei der Ankunft am Flughafen Frankfurt wurde sie verhaftet. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft.

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Fast fünf Jahre für Anschlags-Angebote

Ein Duisburger, der Geld an die Taliban gespendet und sich zu einem Terror-Anschlag in Israel bereit erklärt hatte, wurde am Freitag vom Landgericht Düsseldorf zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Kurz zuvor hatte der 27-Jährige sein letztes Wort zu einem 23-minütigen Vortrag genutzt. Der begann zwar mit formalen Entschuldigungen, geriet aber danach zu einer eher selbstgefällig wirkenden Ansprache.

Vor dem Landgericht (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Weil er sich zu einem Terror-Anschlag in Israel bereit erklärt sowie 100 Euro für die Taliban gespendet hatte, wurde der Duisburger Sven P. am Freitag vom Landgericht Düsseldorf zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Bei seiner Bereitschaft zu dem Anschlag habe der 27-Jährige die Absicht verfolgt, „einen Teil der israelischen Bevölkerung zu vernichten“, sagte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Die Anschlags-Pläne seien hinreichend konkretisiert worden, etwa durch Überlegungen, wie möglichst viele Opfer erzielt werden könnten. Die Zweifel, die er gehabt haben will, seien für Dritte bis zu seiner Verhaftung nicht erkennbar gewesen. Dazu habe er lediglich Schutzbehauptungen vorgebracht, so die Richterin weiter. Außerdem bleibt der Haftbefehl gegen ihn bestehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der deutsche Staatsangehörige hatte bereits zum Prozessbeginn am 22. November ein umfassendes Geständnis abgelegt. Dabei schilderte er auch, dass er 2007 zum Islam konvertiert sei. Als Grund gab der junge Mann an, er habe sich hier ausgegrenzt gefühlt, weil seine Eltern aus Kasachstan stammten. In Anbetracht seines deutsch klingenden Namens sowie seines unauffälligen äußeren Erscheinungsbildes wirkte das jedoch wenig glaubwürdig.

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Zermürbender Terror-Prozess

Von der Öffentlichkeit unbemerkt geht der Düsseldorfer Prozess gegen die mutmaßliche tadschikische Terror-Zelle in die Sommerpause. Das konfrontative Agieren einiger Verteidiger lässt ein langes und zermürbendes Verfahren befürchten, das dem Gericht noch viel Nervenkraft abverlangen wird.

Muhammadali G. beim Prozessauftakt (Bild: Sigrid Herrmann-Marschall)

Als vier der fünf seit 19. Mai vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) angeklagten Tadschiken im April letzten Jahres festgenommen wurden, prägten sie tagelang Schlagzeilen. Die mutmaßliche Zelle wurde verdächtigt, für die Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) einen Mordanschlag auf einen Neusser Islam-Kritiker geplant sowie Luftwaffen-Stützpunkte ausgekundschaftet zu haben, hieß es. Selbst der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach von einem „ganz großen Ding“.

In den darauffolgenden Tagen aber passierte etwas, das nicht hätte passieren dürfen und das den Prozess bis heute belastet: Unzählige Ermittlungsdetails, möglicherweise ganze Akten, gerieten in die Hände von Journalisten, die alles sofort an die Öffentlichkeit brachten. Wo die undichte Stelle lag – ob bei der Bundesanwaltschaft, dem Bundeskriminalamt, den beteiligten Polizeipräsidien oder dem ebenfalls involvierten Verfassungsschutz -, ist bis heute ungeklärt. Aber es führte dazu, dass Medien und Öffentlichkeit den jetzt stattfindenden Prozess nur noch als formale Angelegenheit betrachten – aber nicht mehr als Strafverfahren, das dazu dient, zu klären, ob die gegen die Angeklagten erhobenen Vorwürfe auch tatsächlich so zutreffen.

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