Einmal Mitte Hamburger Art!

Über Einbindungen und die Ausrichtung des Präventionsprojekts „Al Wasat – die Mitte“ in Hamburg

In der Hansestadt Hamburg gibt es seit vielen Jahren eine verfestigte islamistische Szene. Von dem Vorsitzenden der Schura, Mustafa Yoldas, der vor Jahren die u.a. wegen Hamas-Unterstützung verbotene IHH leitete und hinsichtlich des Verbots nach wie vor uneinsichtig erscheint, bis hin zu Anhängern der ebenfalls verbotenen Hizb ut Tahrir, radikalen Schiiten, Muslimbrüdern und Jihadisten ist vieles vor Ort vorhanden, was man als Beobachter der islamistischen Szene beachtenswert findet. Die Vielfalt der islamistischen Betätigungen ist bunt wie selten. Hinsichtlich der primär beobachteten Gruppe alleine stellte der Hamburger Verfassungsschutz fest:

Die Zahl der erfassten Salafisten in Hamburg ist nach Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutzes auf etwa 620 gestiegen. Von ihnen seien rund 310 sogenannte Dschihadisten, also Anhänger des bewaffneten Heiligen Krieges.

http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article208138319/Radikale-Islamisten-haben-weiter-Zulauf-in-Hamburg.html

Hamburg hat also ein erhebliches Problem mit diesem Personenkreis und ihren Unterstützerstrukturen. Im Gefolge der Priorisierung bei den Sicherheitsbehörden wurden wohl einige Gruppen und Einrichtungen gar nicht mehr beobachtet, obwohl sie unter strukturellen Aspekten und früheren Kriterien durchaus beobachtet werden sollten. So geht es also bei der Schura recht bunt zu. Der Vorsitzende Mustafa Yoldas beklagte auf der Seite der Schura seinerzeit sogar das Verbot der IHH:

http://www.schurahamburg.de/index.php/2-uncategorised/69-presseerklaerung-von-dr-mustafa-yoldas-zum-verbot-der-ihh

In der Schura findet sich neben weniger problematischen Einrichtungen (warum machen die da mit?) eine ganze Reihe höchst zweifelhafter Vereine, die unter Beobachtung stehen oder stehen sollten:

http://www.schurahamburg.de/index.php/ueber-uns/mitglieder

Das stört obigen Vorsitzenden offenkundig nicht, was nicht verwunderlich ist, da er ja schon nicht nachvollziehen kann, warum man die IHH verboten hat.

Das ist also einer der Akteure, mit denen man in Hamburg an einem Tisch sitzt: To big to fail?

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Selbstsichten.

In Hamburg kann also eigentlich kein Kommunalpolitiker sagen, man hätte nicht gewußt, wer dort mit am Tisch saß oder wie die Grundlinie der Akteure ist. Eine so umfängliche und nachweisliche Kapitulation vor dem legalistischen Islamismus und Islamisten ist selten derart offen zu begutachten. Das ist schädlich nicht nur wegen der zu billigen Preisgabe demokratischer Werte, sondern auch fatal hinsichtlich der Wirkung in die islamische Community: Wenn das schon „die Guten“ sein sollen, wer oder was ist dann noch abzulehnen? Um der kurzfristigen Bequemlichkeit einiger politischer Akteure halber, die unschöne, aber notwendige Debatten nicht führen wollen, wird das Problem dieser Struktur zum Problem Hamburgs. Das Haus brennt, aber man macht erst mal schöne Selfies: Gutes Licht heute im Schein des Feuers.

Es ist nämlich nicht hilfreich, einfach die Standards relevant zu senken und problematische Strukturen und Akteure nicht mehr zu benennen. Legalisten werden uns als Problem erhalten bleiben, sie unterwandern, sie bereiten einen unguten Boden. Das mag Druck aus der Personalsituation bei den Sicherheitsbehörden nehmen, es mag auch zuerst bequemer sein für die, die eigentlich Verantwortung tragen sollten, führt aber sonst keinen Meter weiter, sondern man verlagert die Probleme nur weiter in die Zukunft.

Da ist es eigentlich folgerichtig, dass man auch in der Prävention nicht so ganz im Blick hat, wen man alles einbindet bzw. auch meint, Akteure einbinden zu müssen, bei denen begründete Zweifel bestehen. Flankiert wird das durch die Steuerung der Förderung durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“, deren Verantwortliche wie schon in einigen anderen Fällen, siehe z.B. DIV, siehe RAMSA, siehe „safer spaces“ auch Strukturen fördern, die ein mehr als fragliches Demokratieverständnis haben, da sie z.B. klar über Binnen- und Unterstrukturen verfügen, die die demokratischen Möglichkeiten nur nutzen ohne sie zu unterstützen.

Einer der Vereine, die eine solche Förderung erfahren, macht das Projekt „Al Wasat – die Mitte“. Da das eine bei allen beliebte Metapher ist – radikal sind immer die anderen – darf man auf diese schöne Eigenbeschreibung ohne Prüfung allerdings nicht all zu viel geben:

https://www.demokratie-leben.de/mp_modellprojekte-zur-radikalisierungspraevention/al-wasat-die-mitte.html

Der Trägerverein ist in der Schura, man hat also offensichtlich kein Problem mit den anderen fragwürdigen Akteuren. Auf der Facebook-Seite des „Präventions-Projekts“ sieht man, was dort propagiert wird:

https://www.facebook.com/alwasat.mitte/?fref=ts

Dort wird auf den Herrn bin Bayyah verwiesen. Das ist dieser hier:

https://vunv1863.wordpress.com/2016/12/26/friede-auf-erden/

Also ein Herr, der lange die rechte Hand von Yusuf Al Qaradawi war. Al Qaradawi hat in manchen Ländern Einreiseverbote (USA seit 1999), da er einer der hochrangigsten Köpfe der Muslimbruderschaft ist und z.B. Selbstmordattentate gegen Israel billigt. Er gilt immer mal wieder auch als Befürworter des bewaffneten Kampfes.

The Investigative Project on Terrorism, which released a report Late Tuesday covering the circumstances of the meeting, wrote that bin Bayyah has referred to the anti-Semitic Islamist al-Qaradawi ‚as „a mountain upon whose peak there is light” and as „a great reformer“ who „spreads knowledge and wisdom.“ MailOnline saw a late draft of that report.

‚Like many in the global Muslim Brotherhood movement who pose as moderates to the press and to liberal intellectuals by issuing condemnations of al-Qaida,‘ it read in part, ‚Bin Bayyah refuses to label the acts of groups such as Hamas, Hizballah or Palestinian Islamic Jihad as terrorism.‘

He has also issued ‚an endorsement of the push by Muslim intellectuals to criminalize blasphemy against the Muslim prophet Muhammad and Islam,‘ the group reported.

http://www.dailymail.co.uk/news/article-2348479/EXCLUSIVE-Deputy-banned-suicide-bomb-endorsing-cleric-Yusuf-al-Qaradawi-White-House-meeting-National-Security-Council-staff.html

Bin Bayyah has “urged the U.N. to criminalize blasphemy,” according to reports, and spoke “out in favor of Hamas,” the terror group that rules over the West Bank.

http://www.washingtontimes.com/news/2014/may/24/muslim-cleric-who-backed-fatwa-killing-us-soldiers/

Die offizielle Trennung 2013 der beiden Herren Al Qaradawi und bin Bayyah in einem Gremium hatte wohl strategische Gründe (und fand auch erst nach dem Treffen im Weißen Haus statt; er war da noch in Funktion). Trägerverein des Projekts ist das „Islamische Wissenschafts- und Bildungsinstitut e.V.“ mit dem Direktor Dr. Ali Özgür Özdil:

http://www.iwb-hamburg.de/index.php/mitarbeiterinnen

Nun ist Ali Özgür Özdil Islamwissenschaftler. Man kann bei ihm nicht annehmen, dass er nicht weiß, wer bin Bayyah ist (etwas, was man bei manch anderen Protagonisten noch zum Vorteil annehmen kann) und für welche Inhalte er tatsächlich steht*. Bin Bayyah steht mit seiner persönlichen Historie also definitiv nicht für die Poesiealbum-Sprüche, die seine deutschen Anhänger seit einigen Monaten verbreiten. Bin Bayyah scheint der neue Vorzeige-Onkel u.a. der deutschen Muslimbruderschaft, weil er aus anderen Gründen als seiner nach außen propagierten Friedfertigkeit – wie das hierzulande verkauft wird – die entsprechend vorzeigbaren Termine in den Staaten hatte. Das erscheint, um es klar zu sagen, als hübsch gerahmtes Geschwätz für westliche Akteure, Poesie-Album Optik, man tut so, als sei er eine Art Dalai Lama. Bin Bayyah wird auch durch andere Protagonisten in der Prävention, wie Bacem Dziri von RAMSA und aktiv für die „Hessischen Muslime für Demokratie und Vielfalt“, oder dem Dr. Kellner, der u.a. an der Uni Osnabrück aktiv ist, und noch einige andere propagiert (beide waren auch auf der bin Bayah-Konferenz vor zwei Monaten in Abu Dhabi!). Auch auf den Seiten von „safer spaces“, dem Projekt des Zentralrats der Muslime in Deutschland, fanden sich seitenlange Stellungnahmen von Bin Bayyah, bevor man sie – wohl sicherheitshalber – weglöschte.

Özdil hat – der eigene Weg ist angeblich immer der der Mitte, der „gerade Weg“ – also dem Anschein nach sein Projekt der Stadt Hamburg erfolgreich andienen können. Auf eine fachlich begründbare, angemessen kritische Haltung bei „Demokratie leben“ durfte man bis vor einiger Zeit nur vergeblich hoffen bzw. dass strukturiert, verläßlich und mit angemessener Gewichtung die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden einbezogen wurden. Man konnte durchaus den Eindruck gewinnen, dass Gelder für Islamismusprävention in der Vergangenheit mit der gleichen Ernsthaftigkeit vergeben wurden wie Gelder für das rote Spielmobil. Diese pessimistische Einschätzung ist anhand der Vergleichsfälle, die auch in die Förderung kamen, obwohl auch bei ihnen fachlich begründbar nicht nur Zweifel an der Einhaltung der Förderleitlinien mit dem geplanten Projekt (vornehmlich religiöse Arbeit ist nicht förderungsfähig), sondern auch an den beteiligten Zuwendungsnehmern bestehen konnten, ja, bestehen mussten, in manchen Fällen gerechtfertigt. Dass auch etliches Gutes in der Förderung durch „Demokratie leben“ dabei ist, ist davon unbenommen. Manchmal hat das Gemeinwesen halt auch Glück.

Dass nunmehr der politische Islam als Mittel gegen den radkalen Islam propagiert wird, dass man Ursachen wegdefiniert, Zusammenhänge bewußt übergeht, umschifft, passend macht, kann nur kritisch gesehen werden. Das Problem wird nicht gelöst, indem man Herrschaften, die Muslimbruder-Strukturen fördern, gut finden und deren Narrative gesellschaftsfähig machen, in die Prävention holt. Die wirklichen Hardliner kann man so nicht erreichen und angehen. Die wirklichen Hardliner werden alleine die staatliche Förderung als Beleg sehen, dass man nicht islamisch genug sei. Die bleiben also weg. Außerdem ist das ein schlechtes Nutzen-Risiko-Verhältnis: 100 auf ein höheres Ausgangsniveau über Opfer-Narrativ etc. zu heben, um vielleicht einen zu erreichen – ohne Garantie, dass man ihn dadurch wirklich zurückholen kann. Was man damit erreicht ist, bei indifferenten muslimischen Jugendlichen durch falsche Akteure mit eigener Agenda die muslimische Identität zu priorisieren, ihnen beizubringen, dass es etwas besonderes sei, Muslim zu sein. Bin Bayyah, Tariq Ramadan, Reidegeld, s.u., da ist man dann recht nah an Haltungen wie sie Graue Wölfe, Hizb ut Tahrir & Co propagieren. Natürlich auch an denen der Salafisten. Das ist keine Prävention, sondern organisatorisch verbrämte und aus der Not für statthaft geheißene Propaganda im Gewand der Prävention. Muslimische Jugendliche brauchen keine Islamwissenschaftler werden, die feinste Unterschiede dann noch differenzieren können. Das ist unnötig und kontraproduktiv. Sie sollen hier ihr Leben leben als Bürger dieses Landes, als Chemiker, Soziologen oder Journalisten. Sie sind zuerst Bürger dieses Landes, Chemiker, Soziologen oder Journalisten und wollen das erst einmal meist auch werden oder sein, nicht zuallerst und überall Muslime. Das gilt übrigens für alle, Atheisten, Christen, Frauen, Männer ganz genauso.

Wird eine allgemeine Abgrenzung propagiert, indem überall zuerst der Identitätsaspekt Muslim betont wird, bauen wir die Brücke zu den Extremisten durch Personen, die als Legalisten wirken. Al Wasat erscheint nicht als Präventionsprojekt, auch wenn man dieses Etikett verlieh.

Leider ist aktuell auch eine NDR Journalistin Opfer des schönen Scheins und Namens geworden. Oder sie war der Meinung, es ist genügend Recherche gemacht, wenn man auf die „Demokratie leben“-Seite geht oder etwas durch die Stadt Hamburg gefördert wird:

http://www.ndr.de/ndrkultur/sendungen/freitagsforum/Radikalisierung-vorbeugen,freitagsforum400.html

Nein, das ist heutzutage leider nicht mehr genug der Recherche. Das mag in einer Kulturredaktion noch nicht ganz angekommen sein, dass auch staatliche Stellen nicht unbedingt die Gewähr sind, dass ordentlich geprüft wurde. Bitte aus dem Fall DIV lernen.

Fazit: „Die Mitte“ ist nicht das, was unter dem Namen assoziiert wird. Geht man nach dem, wie sich der Verantwortliche für das Projekt positioniert, ist das sehr problematisch, denn bekannte Muslimbruder-Protagonisten werden empfohlen, während zur Mehrheitsgesellschaft durchaus abgegrenzt wird. Alle Verantwortlichen sollten über die Förderung genau dieses Projekts noch einmal sehr, sehr gründlich nachdenken.

 

 

 

 

 

* Dr. Özdil versteht manche Kritik nicht. Er versteht nicht die Kritik an der Schura. Er versteht nicht die Kritik an Yoldas, der DITIB, dem IZH. Wahrscheinlich versteht er auch nicht die Kritik wegen der IHH. Für Dr. Özdil scheinen alle diese Personen und Strukturen nur gute Muslime oder gute muslimische Strukturen, denn alle Verbände seien im Visier:

Dass der Schura Vorsitzende Mustafa Yoldaş öffentlich attackiert wird, hat auch System. Auch hier durchforsten Gegner die alten Verfassungsschutzberichte.

Wenn DITIB Vertreter (wie Zekeriya Altuğ) sprechen, die in den letzten Jahren auch bereits mehrmals attackiert wurden, ruft das wiederum die Türkei-Gegner auf den Plan.

Dass die Veranstaltung im Islamischen Zentrum Hamburg stattfand, musste die Gegner des Iran auf den Plan rufen und Verfassungsschutzberichte durchforsten und posten lassen. Das jedoch findet systematisch immer statt.

Im Grunde wird jeder Verband, ob sunnitisch oder schiitisch, ab türkisch oder iranisch, von irgendjemandem ins Visier genommen.

Wenn eine formal gebildete Person wie Dr. Özdil die begründete Kritik nicht versteht oder verstehen will, nutzt auch die formale Bildung nichts. Sie nutzt nichts, um das Verständnis voran zu bringen. Er taugt n.a.M. nicht als Mittler, wenn man die eine Seite nur als Opfer von Willkür sieht Vor allem nutzt das nicht zur Prävention bei Jugendlichen, denn er wird sein Unverständnis und seine Fehldeutungen so nur weitergeben. Das wird die Opferhaltung verstärken und Selbstreflexion unmöglich machen.

Özdil macht auf seiner Facebook-Seite nicht nur selber Werbung für bin Bayyah.
Der sich in der Mitte wähnende Herr bin Bayyah, da ist ja wieder diese schöne Metapher. Die Hamas ist dann sicher auch irgendwie mittig:

 

Tariq Ramadan:

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und Dr. Reidegeld:

[Man beachte auch den Namen des Vereins: „Nordlichter e.V.“.]

Er warnt vor Lügenmedien, Parasiten (gemeint sind andere Menschen!) und noch so einigem mehr.

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Aber vielleicht ist das durchaus beabsichtigt. Dem Anschein nach soll man nur noch ihm glauben. Er will Menschen an den Islam „gewöhnen“ (gehalten wohl auf der Nordlichter-Veranstaltung; man beachte die Beucherzahl):

 

Auf den Islam der Richtung bin Bayyah, Ramadan und Reidegeld kann diese Gesellschaft durchaus verzichten. Daran wird sie sich nicht gewöhnen. Daran sollte sich vielleicht der Dr. Özdil gewöhnen.

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